Warum ist Spike eine Frau

Weil das offenbar immer und immer wieder eine Frage ist, die immer mal dem Einen oder viel seltener auch mal der Anderen quälend ins Gemüt schreit, müssen wir scheinbar mal darüber reden.

Interessanterweise haben Frauen damit erfahrungsgemäß weit weniger ein Problem, als Männer die mich dann fragen, warum ich als Mann einen weiblichen Avatar habe. Zumal einen, der so sexy aussieht, wie Spike. Das ist vielen ein Rätsel. Was deshalb auch erstaunlich ist, da es fast ausschließlich Männer sind, die mit einem geschlechtsuntypischen Avatar unterwegs sind.

 Die Geschichte ist im wesentlichen kurz erzählt. Ich fing im April 2010 in Second Life an und hatte von nichts `ne Ahnung. Und als Mann habe ich mir natürlich einen Männer-Avatar gemacht. Wie sich das gehört.

Und so lebte ich mein "Zweites Leben" in Second-Life (Einer 3D-Welt im Internet). Ich lernte Leute kennen. Dank eines Translators, den ich bis dahin nur aus dem Buch von Douglas Adams "Per Anhalter durch die Galaxis" kannte, dort haben sie einen Babel-Fisch im Ohr, der diese Aufgabe übernimmt, und bei Star Trek gibt es auch einen Universal-Übersetzer, kam ich mit Menschen aus aller Herren Länder zusammen. Nun hatte ich auch einen, den Google-Translator von Ferd Frederix, und konnte mich mit "Gott und der Welt" unterhalten.

Ich war ein König! Neben einer längeren Unterhaltung auf Englisch, mit einer riesigen Sonnenblume und einem ausgedehnten Gespräch mit einem schwarzen Panter aus Hannover kamen mir erste Gedanken, das hier (in Second Life) niemand rumläuft wie er wirklich ist.

Tage vergingen und ich nahm diese Erfahrungen mit ins Real-Life, ins wahre Leben mit und schaute mir die Leute im Bus an, in die vielfach alltagsgetrübten Minen, und dachte, dass es vielleicht auch besser ist, das in Second Life niemand so ist, wie er wirklich ist. Das macht die Welt in Second Life bunter. Und zum Teil die Leute bei mir Zuhause aus dem Bus? Ompf.... Das kann keiner wollen.

Irgendwann begann ich mich zu fragen, wie all das entsteht, was sich dort sah. Wie baut man was? Ich lernte jemanden kennen, der auf Hufen rumlief, lauter Nägel im Gesicht hatte und ein grobes schwarzes Netz über dem sonst überwiegend nackten Körper. Damit erinnerte er etwas an eine Mischung zwischen Teufel mit Hufen und Hörner, Predator und Pinhead aus dem Film Hellraiser.

Er brachte mir bei, was ein Prim ist, was man damit machen kann, welche Formen es haben kann, wie man diese Formen verändern und texturieren kann. Er legte den Grundstein dafür, das ich heute in Online-Welten wie Second Life und OpenSim bauen kann. Mit Ihm fing alles an. Dann irgendwann stellte sich außerdem heraus, dass er gar kein Teufel, kein Predator und auch kein Hellraiser war, sondern eine Hausfrau aus Wuppertal. Tja, so kann's gehen....

Kurz.... niemand sieht so aus, wie er/sie im richtigen Leben aussieht. Weder in Statur, Kreatur oder Geschlecht. Hier macht ja jeder, was er will!

In mir festigte sich die Überlegung zur Überzeugung, dass hier in Second Life wohl niemand den Anspruch hat, so auszusehen, wie er wirklich aussieht und dass eben genau das auch den Reiz ausmacht, Neues auszuprobieren, der Fantasie freien lauf zu lassen und neue Grenzen auszuloten.

Überhaupt kenne ich nur 2 Avatare, von denen ich auch RL Bilder kenne, die wirklich verdammt echt aussehen. Kueperpunk Korhonen, einem Autor und Verleger der Vorlesungen in SL hält, (Die Webseite von Thorsten Kueper [Seit DSGVO nur noch geladenen Gästen offen]) und Caspian Iglewood (RealLife Adam Tebbe), der früher mal Snowlion Mountain, der Region wo sich das Meditations - Center Kannonji befand (das gibt es heute leider nicht mehr), administrierte. Sonst sieht meines Wissens niemand so aus wie in RealLife.

Und da ich mich bereits von der Vorstellung, dass mein Avatar vom Aussehen her irgendwie mich selbst representieren würde, getrennt hatte, musste ich nun feststellen, dass ich den ganzen Tag (bedingt durch die Kameraeinstellung, die der Viewer vorgibt) einem Kerl auf den Hintern schaue. Das war doch nicht gesund!

Ich kam zu der Erkenntnis, dass der Avatar vom Aussehen her nicht zwingend etwas mit mir zu tun haben muss, nicht mich selbst darstellt, mich repräsentiert, sondern es kann auch so sein, dass der Avatar "jemand" ist, den ich mir gerne ansehe. Und dieser Gedanke eröffnete völlig neue Welten.

Ich begann mir den ersten Frauen - Avatar zu basteln und stellte fest, das man als Frau ja viel mehr Möglichkeiten hat. Die Freebie-Läden waren voll von Freebies, die man einfach abfrühstücken konnte. Zu Anfang war es grauenvoll. Alle paar Tage, manchmal nur Stunden, hatte ich neue Augen, einen neuen Skin, neue Haare. Ich probierte aus, was mir zwischen die Finger kam, um einen Avatar zu erstellen, der meinem Geschmack entsprach.

Als Mann ist es zwar so, das man durchaus ein gewisses "Beuteschema" hat, aber was nun im Detail wirklich das Schönste ist, weiß man am Anfang gar nicht. So vieles sieht echt klasse aus und wenn du dich entscheiden musst, dies oder das, dann ist das manchmal gar nicht so einfach.

Für einen Mann ist das eine völlig neue Form sich einmal mit dem anderen Geschlecht zu beschäftigen und eine lohnende obendrein, wie ich heute sagen kann. Macht man doch dann plötzlich Erfahrungen, die ich als Mann niemals gemacht hätte.

Einmal begann ein Typ mich anzugraben. Ein Spielchen, was ich zunächst schmunzelnd mitspielte. Von zunächst angenehmen Komplimenten schwenke die Situation jedoch schnell zu einem unangenehmen bedrängt werden um. Und ich machte das erste Mal "als Frau" die Erfahrung, was man in so einer Situation denkt und fühlt. Eben weil ich ein Mann war, kam ich locker aus der Nummer raus, ich weiß nicht, ob das jeder Frau ebenfalls so gelungen wäre. Einigen sicher, klar. Der Typ war schon ziemlich aggressiv in seinem Vorgehen und in SL kannst du ihm ja nicht einfach das "Esszimmer" neu einrichten. Schön eine Frau könnte einfach off gehen. Dann wäre die Situation ebenfalls geklärt, aber dies kann sie im RL nicht, und dort passieren ganz sicher vergleichbare Situationen.

Es ist ein Unterschied zu wissen, das so etwas passieren kann, oder es erlebt zu haben, erfahren zu haben, wie es sich anfühlt...., was es bedeutet.

Also man macht plötzlich Erfahrungen, die man sonst nicht gemacht hätte.

Ich selbst habe auch mit "hässlichen" Avataren meine Erfahrungen gemacht und festgestellt, wie sehr das Aussehen eben doch eine Rolle spielt. Mit schönen Frauen kommt man gerade bei Männer immer leicht viel weiter, unter Frauen wiederum hatte ich natürlich massive Probleme. Frauen können untereinander recht grausam sein, wenn der Zicken-Krieg voll ausbricht, willst du als Mann nicht zwischen den Fronten stehen. Das kannst du als Mann aber nicht erleben, weil es bei männlicher Anwesenheit nicht in dieser offenen Konfrontation stattfindet.

Männer sind wie Wölfe. Immer gibt es einen, der die Rolle des Leitwolfs annimmt und dann sortieren sich alle anderen Männer je nach Freundschaftsgrad um diesen herum. Bei Frauen ist das viel Komplizierter. Während sie in schwierigen Situationen alle gleichberechtigt zusammenhalten und ihr kreatives Potenzial addieren und viel kreativer miteinander leben, kann es in anderen Situationen so sein, dass die eine der anderen die Augen auskratzt.

Also ich machte so meine Erfahrungen und fand das insgesamt recht erfrischend, mal "die andere Seite" kennenzulernen. Wobei ich niemals einen Hehl daraus gemacht habe, als Mann mit einem Frauen Avatar unterwegs zu sein, weil ich es auch weder schlimm noch peinlich finde. Es ist eben so.

Interessanterweise kenne ich nur 3 Frauen, die einen Männer-Avatar haben. Die oben erwähnte Hausfrau aus Wuppertal, dann jemanden, die gerne mal unbemerkt irgendwo hereinschleichen können will, ohne das man merkt, wer sie wirklich ist und eine Dritte, deren Hintergründe hier keine Rolle spielen soll.

Andererseits kenne ich inzwischen wohl hunderte Männer, die als Frau unterwegs sind, hier gibt es also ein klares Ungleichgewicht. Was nach einer Studie auch daran liegt, das Männer visuelle Wesen sind, während Frauen emotionale Wesen sind. Männer wollen sich eher etwas Schönes ansehen, während die Frau bei der Optik nicht die erste Priorität setzt, sondern eher beim Herz.

Auch das ist bereits in der ganz frühen Entwicklungsgeschichte verankert.

Der Mann war urzeitlich auf der Jagd. Musste gut und scharf gucken können. Entfernungen abschätzen können, gut getarnte Tiere im Dickicht und Gebüsch aufspüren, jagen und erlegen können, um Zuhause die Familie ernähren zu können. Sein Schwerpunkt lag bei der Konzentration auf einen bestimmten Punkt. Ein Punkt, der gerade wichtig war, alles andere wurde ausgeblendet.

Bei Frauen, die sich um das Häusliche kümmerten, war das völlig anders herum. Man hatte mehrere Kinder und musste ständig für alle da sein, man musste den Haushalt "nebenbei" erledigen, hatte "Spielwunden" der Kinder zu versorgen, war Wäsche waschen und Beeren pflücke... die Arbeiten waren alles andere als konzentriert auf einen Punkt gerichtet. Sie waren ständig sehr breit gefächert.

Das erklärt, warum heutzutage Männer das bessere Auge beim Maßnehmen haben. Einparken zum Beispiel, können Männer tendenziell besser als Frauen. Sich merken wer was wann warum zu wem gesagt hat, können sich Frauen spielend leicht merken. Männer wissen nach kurzer Zeit schon nicht mehr, das überhaupt was gesagt wurde.

Diese Gegensätzlichkeit führt uns zusammen und gemeinsam ins Paradies. Wer glaubt, er könne alles, kann nichts richtig.

Alles das sind Gedanken, die mir kamen, weil ich online als Frau unterwegs war. Da hatte ich mir vorher gar keine Gedanken drüber gemacht. Und es ist ein gewaltiger Unterschied "zu wissen" das irgendetwas irgendwie ist, oder "erfahren zu haben" was es bedeutet.

Mit den Jahren kamen meine Tätigkeiten als Autor dazu. Immer mehr Leute nannten mich Spike. Auch im RealLife, bei den Treffen in Berlin mit der ganzen Community.

Da meine Email-Adresse auf Spike Sol lautet, laufen bereits alle Geschäfte mit Amazon über den Namen Spike Sol. Wo immer es um Online-Geschäfte geht, ob ich mir eine Pizza bestelle, oder ähnliches, benutze ich auch im RealLife den Namen Spike Sol, er ist mittlerweile zu meiner Natur geworden.

Das ist natürlich auch nur deshalb möglich, weil "Spike" zwar ein männlicher Vorname ist, jedoch auch eine gewisse Gender-Neutralität mitbringt.

Männlich: Als Beispiel Spike, aus Buffy die Vampirjägerin

oder

Weiblich: Spike aus dem Film "Barb Wire" gespielt von Jennifer Banko

Hätte ich in SecondLife einen Avatar namens "Lieschen Müller" gehabt, wäre das wohl alles anders gelaufen. Tatsächlich kam der Nachname "Sol" erst in der OpenSim dazu, da der Nachname damals noch von SecondLife selbst vergeben wurde und ich in SecondLife Spike Visage heiße. Eine Änderung des Nachnamens war erst später möglich.

Zum Glück konnte ich im Opensim den Namen meiner Wahl nehmen und der ist und bleibt Spike Sol. Der Spike, (english Stachel), oder wie Prof. Dr. Harald Lesch mal über die Physiker sagte: Sie seien die Hämorrhoiden am Hintern. Das trifft auf mich auch oft zu. Gebe mich nie mit Oberflächlichkeiten zu Frieden, bin neugierig und will alles genau wissen. Und Sol? Naja, ich bin ein sonniges Kerlchen, oder etwa nicht?

Abschließend sei noch gesagt, das Spike Sol als Name mir richtig ans Herz gewachsen ist. Ich habe bereits einige Treffen der Community mit gemacht und auch im realen Leben außerhalb dieser treffen viele Leute getroffen die mich alle mit Spike anreden. Vieles läuft bereits jetzt schon, wo die Email-Adresse eine Rolle spielt über den Namen Spike Sol. Amazon, Pizza-Service als Beispiel. Deshalb ist das auch kein "Tick" oder so, sondern durchaus eine persönliche Entwicklung, die auch nicht wieder aufhört. Der Ball ist ins Rollen gekommen und nun rollt er. Da auch Freunde beginnen mich mit Spike anzusprechen, die mit der Onlinewelt nichts zu tun haben und die Schriftstellerei bereits erfolgreich mit diesem Namen begonnen hat, ist Spike Sol nun mein Name.

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